Tasting & Sensorik bei Destillaten

Du hältst ein Glas edles Destillat in der Hand.
Vielleicht ist es ein kräftiger Whisky, ein feiner Rum, ein eleganter Gin oder doch ein charaktervoller Obstbrand. In diesem Moment öffnet sich eine ganze Welt voller Aromen und Eindrücke, die oft unterschätzt wird, wenn wir „nur mal eben einen Schluck probieren“ möchten.
Ein Leitfaden für Genießer
An dieser Stelle wollen wir dir gesammelte Erfahrungswerte mitgeben, wie Du Dein Erlebnis verbessern kannst.
Beim bewussten Tasting geht es um weit mehr als nur ein kurzes Riechen und Schmecken. Es ist eine Reise in die facettenreiche Welt der Sensorik, bei der Auge, Nase und Mund gleichermaßen gefordert sind. Wer sich darauf einlässt, entdeckt Nuancen, die im Alltag leicht untergehen, und versteht, warum manche Spirituosen wahre Kunstwerke sind.


Hier findest du einen Blick auf die Aspekte, die für ein Destillat-Tasting wichtig sind – von der richtigen Optik bis zum idealen Rahmen, in dem du deine Sinne auf Entdeckungsreise schicken kannst.
Dieser Leitfaden soll nicht als Anleitung verstanden werden. Was für deinen einen richtig ist, passt beim anderen nicht. Finde Deinen Weg!
Die Optik:
Wenn das Auge mittrinkt
Der erste Schritt beim Tasting beginnt oft intuitiv.
Man nimmt das Glas zur Hand, hält es gegen das Licht und lässt sich von Farbe und Klarheit faszinieren. Dieser Moment der visuellen Wahrnehmung wird gern unterschätzt, doch er ist ein wichtiger Teil der Sensorik. Das Auge liefert uns Informationen, die unser Gehirn sofort mit Erwartungen verknüpft. Sieht ein Destillat sehr dunkel aus, denken wir an eine längere Reifezeit im Holzfass. Hat es einen leichten Gelbstich, könnte das auf eine kurze Fasslagerung oder auf bestimmte Zutaten hindeuten.
Die Farbe selbst kann von kristallklar über strohgelb bis zu tiefem Bernstein oder sogar beinahe Mahagoni reichen. Klarheit oder Opazität sind ebenfalls wichtig, denn sie verraten etwas über Filtration und Lagerung. Ein sehr klarer Brand wurde möglicherweise stark gefiltert. Trübt sich das Destillat bei Kälteeinwirkung ein wenig, ist das manchmal ein Zeichen für natürliche Öle, die nicht herausgefiltert wurden und so für intensivere Aromen sorgen können.
Ein weiterer Aspekt ist die Viskosität. Viele Menschen schwenken ihr Glas und beobachten, wie die Flüssigkeit am Rand herunterläuft. Im Deutschen nennt man diese Schlieren auch Kirchenfenster oder Beinchen. Je dicker und langsamer sie fließen, desto höher ist in der Regel der Alkoholgehalt oder der Anteil an Restzucker und Glycerin.
Dieser erste visuelle Check ist keineswegs nur Spielerei, sondern ein echter Einstieg in das Tasting. Er gibt dem Gehirn ein Signal: Hier kommt gleich etwas Spannendes auf mich zu.
Gerade bei fassgelagerten Spirituosen lassen sich deutliche Hinweise auf Alter und Reife ablesen. Ein zwölf Jahre gereifter Whisky wird in der Regel sattere Farbtöne aufweisen als ein junges Destillat.
Aber Vorsicht: Einige Hersteller arbeiten mit Farbstoffen wie Zuckerkulör, der wie der Name nicht erschließen lässt, geschmacksneutral ist. Das relativiert die Zuverlässigkeit der Farbinterpretation deutlich. Wichtig ist, dass du dich nicht nur von der Farbe täuschen lässt. Sie ist Teil des Erlebnisses, aber kein Garant für Qualität.
Genieße also diesen kleinen Moment, in dem du deine Augen schweifen lässt und bereits erste Vorfreude entwickelst, bevor die Aromen ihre Magie entfalten.
Der Geruch / Duft:
Die Nase weist den Weg
Nach dem Sehen folgt in der Sensorik fast immer das Riechen.
Das Geheimnis hierbei ist, dass unsere Geruchswahrnehmung einen enormen Einfluss auf unser Geschmackserlebnis hat. Manche Experten sagen sogar bis zu 80 Prozent unseres „Schmeckens“ finden eigentlich über die Nase statt.

Pro- und Retronasales riechen
Das Riechen hat zwei Hauptpfade: pronasal und retronasal. Wenn du das Glas anhebst und aktiv einatmest, nimmst du das Aroma pronasal auf. Sobald du das Destillat im Mund hast oder schluckst, und die Duftstoffe über den Rachenraum in den Nasenraum ziehen, spricht man von retronasaler Wahrnehmung.
Der Riechnerv, auch Bulbus Olfaktoris genannt, sitzt direkt über der Nasenhöhle und ist unmittelbar mit dem Gehirn verbunden.
Es ist faszinierend, wie unsere Erinnerungen durch Düfte geweckt werden.
Vielleicht versetzt dich ein rauchiger Geruch augenblicklich in Gedanken an ein Lagerfeuer oder eine Wanderung durch den Wald. Eine leichte Karamellnote kann dich an frisch gebrannte Mandeln oder an Omas Karamellsoße erinnern. Dieser sehr direkte Draht zwischen Nase und Gehirn erklärt, warum wir oft lang vergangene Kindheitserlebnisse oder spezielle Orte im Kopf haben, wenn wir bestimmte Aromen wahrnehmen.

Wenn die Nase überfordert ist
Ein großes Thema beim Riechen ist die Frage: Wie kann ich meine Geruchswahrnehmung neutralisieren? Wenn du viele verschiedene Destillate hintereinander probierst, können die Geruchsrezeptoren schnell gesättigt sein. Manche Leute verwenden dazu Wasser, andere schnuppern an ihrer eigenen Haut, weil diese meist einen neutralen Duft hat, der das Gehirn wieder auf Null setzt.
In professionellen Tastings kommt mancherorts auch Kaffeebohnen in kleinen Schälchen zum Einsatz. Der Kaffeeduft hilft dabei, die Nase zu „resetten“. Generell empfiehlt es sich, zwischen verschiedenen Proben ausreichend Zeit zu lassen, um keine Überlagerung von Eindrücken zu bekommen.
Tipp: Unbedingt vor dem Tasting die Hände waschen – gerade bei Gläsern ohne Stiel kommt es durchaus vor, dass man Gerüche auf der Haut wahrnimmt. Fatal, wenn man vorher Zwiebeln oder Knoblauch geschnitten hat oder mit Essig gearbeitet hat!

Urzeitliches Alarmsystem
Unser Gehirn ist evolutionsgeschichtlich darauf programmiert, Brandgeruch besonders schnell wahrzunehmen, weil das in der Steinzeit eine potenzielle Gefahr bedeutete. Ähnlich ist es mit dem Geruch von verdorbenen Lebensmitteln. Alles, was wir mit Gefahr verbinden, überlagert oft andere, subtilere Noten. Vielleicht kennt ihr den „Trick“ persönliche Gerüche auf der Toilette mit dem Abbrennen eines Streichholzes zu „überlagern“, damit der Nachfolgende nicht gleich in Ohnmacht fällt.
Diesen Ur-Instinkt können wir nicht abschalten, doch wir können lernen, ihn bewusst zu steuern. Das heißt, wir können uns aktiv darauf konzentrieren, feine Nuancen herauszufiltern, statt nur auf Alarmbereitschaft zu bleiben. Das erfordert Übung. Wer sich regelmäßig mit Tasting und Sensorik beschäftigt, trainiert seine Nase genau wie einen Muskel.

Von Aromen, Düften und Gerüchen
Duft wird im Deutschen meist mit etwas Angenehmem oder zumindest Neutralem assoziiert. Wenn man von einem „Duft“ spricht, denkt man eher an ein wohltuendes oder schönes Aroma – etwa den Duft einer Rose oder von frisch gemahlenem Kaffee. Geruch ist dagegen der neutrale Oberbegriff für sämtliche olfaktorischen Eindrücke, egal ob man sie als angenehm oder unangenehm empfindet. Das Wort „Geruch“ kann also sowohl eine blumige, zarte Note bezeichnen als auch etwas, das man vielleicht als penetrant oder störend empfindet.
Aroma liegt begrifflich oft zwischen diesen beiden Polen. Man verwendet es häufig, um den charakteristischen Geruch (und manchmal auch den Geschmack) eines Lebensmittels oder Getränks zu beschreiben.
In einem kulinarischen oder sensorischen Zusammenhang spricht man zum Beispiel vom „Aroma eines Whiskys“ oder vom „Aroma frisch gebackenen Brots“. Das Wort schwingt eher positiv mit, muss aber nicht zwingend etwas Süßes oder Blumiges sein. Es kann genauso gut würzig, rauchig oder nussig sein. Aroma dient also oft der genaueren, wertfreien Beschreibung eines bestimmten Geruchs oder Geschmacks, während „Duft“ tendenziell positiver konnotiert ist und „Geruch“ das gesamte Spektrum von Wohlgeruch bis Gestank abdeckt, also jede olfaktorische Wahrnehmung.
Die Assoziation von Gerüchen oder die Johannisbeere und der Kater
Die Art, wie wir Gerüche wahrnehmen und benennen, ist eine hochindividuelle Angelegenheit, die eng mit unserer Biologie und unseren persönlichen Erinnerungen verknüpft ist. Auffällig ist, dass Frauen im Durchschnitt eine bessere Fähigkeit besitzen, einzelne Duftnoten zu identifizieren und verbal auszudrücken als Männer. Verschiedene Studien legen nahe, dass hormonelle Faktoren und eine etwas größere Dichte an Riechzellen in der Nasenschleimhaut eine Rolle spielen könnten.

Hinzu kommt, dass Frauen oft früh an geruchsstarke Aufgaben herangeführt werden, etwa in Alltagssituationen wie Kochen, Kinderpflege oder Haushaltsgerüchen, was ihre Sensorik zusätzlich trainiert. Ein weiterer Faktor ist das enge Zusammenspiel von Geruchssinn und Erinnerung. Der Riechnerv ist unmittelbar an das limbischen System angekoppelt, wo Gefühle und Erinnerungen verarbeitet werden. Ein bestimmtes Aroma kann uns daher schlagartig in die Kindheit versetzen – zum Beispiel, wenn wir den Geruch von frisch gemähtem Gras mit Urlaub bei den Großeltern verbinden.
Pheromone sind ein weiteres spannendes Thema. Sie sind Botenstoffe, die bei Tieren (und teils auch beim Menschen) unterbewusst das Verhalten und die Anziehung beeinflussen. Zwar ist die Existenz menschlicher Pheromone wissenschaftlich noch nicht zweifelsfrei bestätigt, dennoch nehmen viele an, dass unser Geruchssinn uns subtil sagt, ob uns eine Person „liegt“ oder nicht. Sicher kennt ihr die Redewendungen „Den kann ich nicht riechen“ oder „Der/die das stinkt mir.
Auf der Ebene der Spirituosen ist das zwar wenig relevant, aber es zeigt, wie stark Gerüche unsere zwischenmenschliche Wahrnehmung steuern können.
Jeder Mensch riecht anders
Interessant wird es, wenn ein und derselbe Duft bei verschiedenen Menschen zu völlig anderen Assoziationen führt. Ein bekanntes Beispiel ist die Substanz p-Menthan-8-thiol-3-one, die manchen als schwarze Johannisbeere in die Nase steigt, während andere sie eher mit Katzenurin assoziieren. Das liegt zum Teil an unterschiedlichen Rezeptorvarianten im Riechorgan, die dieselben Moleküle leicht anders verarbeiten.
Aber auch die persönliche Erfahrung entscheidet maßgeblich: Wer diese Note zuerst mit fruchtiger Süße verbindet, wird sie vermutlich nie mehr als „tierisch“ empfinden, während jemand anderes das Gegenteil erlebt.
So zeigt sich, dass Gerüche ein komplexes Wechselspiel aus Biologie, Erfahrung und Kultur sind, bei dem keine Wahrnehmung absolut richtig oder falsch ist, sondern sich alles in einem faszinierenden Spektrum bewegt.
Wir sind alle Millionäre – bei den Geruchszellen
Die Frage, wie viele Gerüche ein Mensch erkennen kann, ist lange Zeit unterschätzt worden. Ältere Annahmen gingen von etwa 10.000 verschiedenen Düften aus, neuere Studien deuten allerdings darauf hin, dass die menschliche Nase über eine Billion unterschiedliche Geruchskombinationen auseinanderhalten kann. Zwar klingt das riesig, doch dabei handelt es sich eher um das theoretische Maximum sämtlicher Duftmolekül-Mischungen. Im Alltag nehmen wir natürlich nur einen Bruchteil davon wahr, je nach Intensität und Zusammensetzung der Gerüche.

Menschen haben im Schnitt ein paar Millionen Riechzellen in der Nasenschleimhaut, was sich recht spartanisch ausnimmt, wenn man es mit manchen Tieren vergleicht. Hunde besitzen je nach Rasse zwischen 100 und 300 Millionen olfaktorische Rezeptoren und können Gerüche zudem selektiver voneinander trennen. Das befähigt sie, Sprengstoff oder Krankheiten wie Krebs zu erschnüffeln. Katzen liegen mit geschätzt 45 bis 80 Millionen Riechzellen zwischen Hund und Mensch, sind also ebenfalls deutlich feinfühliger unterwegs als wir, wobei sie ihren ausgeprägten Geruchssinn oft als „Kontrollinstanz“ für ihr Revier einsetzen. Katzen sind hingegen Meister des Horchens mit ihren 180° Grad schwenkbaren Ohren und des Sehens, vor allem bei sehr geringen Sichtstärken.
Beim Menschen ist das Riechsystem eng mit dem emotionalen Zentrum im Gehirn verknüpft, sodass Gerüche sofort Erinnerungen und Gefühle wecken können. Hunde und Katzen haben zusätzlich einen hochentwickelten „Geruchsspeicher“, mit dem sie ihre Umgebung ausgiebig erkunden und Sozialkontakte, Beute oder Bedrohungen erfassen. Hunde sind im Vergleich zu uns besonders effektiv darin, Duftmoleküle selbst dann noch wahrzunehmen, wenn sie in minimaler Konzentration vorkommen. Katzen zeigen eine fein abgestimmte Wahrnehmung, etwa bei der Beurteilung von Futter oder Territorien, allerdings nutzen sie auch ihr empfindliches Gehör und ihre ausgeprägten Sehsinne, um sich ein Gesamtbild ihrer Umwelt zu verschaffen.
Apropos Riechen – mit jedem Atemzug nehmen wir Gerüche aus unserer Umgebung wahr. Dabei atmen wir – im Normalbetrieb – immer nur durch EIN Nasenloch. Welches?
Das wechselt alle paar Stunden, wobei das Intervall variiert! Halte dir abwechselnd einmal je ein Nasenloch zu. Auf „aktiven“ Seite spürst Du Widerstand, auf der anderen nicht. Stelle vor einem fest, welche Seite gerade aktiv ist, und halte das Glas beim Riechen entsprechend. Beide Nasenlöcher gleichzeitig benutzen wir bei intensiven körperlichen Anstrengungen wie Sport, in sehr entspannten Phasen und auch beim sehr bewussten schnüffeln.
Insgesamt bleibt der Mensch in puncto Riechstärke hinter Hunden und Katzen zurück, auch wenn unser Geruchssinn – besonders im Zusammenspiel mit Emotionen und Erinnerungen – komplexer ist, als viele glauben. Sobald man sich intensiv damit beschäftigt, wie viele Düfte wir tatsächlich unterscheiden können, erkennt man, dass sich die menschliche Nase weitaus mehr merkt als nur „frisch, muffig oder fruchtig“.
Cocktails, Longdrinks & andere Mischformen
Nein, wir sind keine Gegner von Cocktails oder Longdrinks. Hier auf schnaps.de haben wir ja sogar eine Rubrik dafür. Jetzt kommt das ABER! Aber bei einem Destillat-Tasting bitte immer PUR.
Gerade bei handwerklich herstellten Produkten ist man es dem Destillateur in gewisser Weise schuldig, das Produkt in Reinform zu verkosten. Ausnahme bildet hier ein Schluck Wasser (siehe dazu Absatz Schmecken – Wasser Marsch!).


Nichts spricht gegen einen anschließenden Zweitversuch mit Tonic. Aber für einen unbefangenes Probieren sollte jedes Destillat pur genossen werden. Sonst stellt sich doch die Frage:
Welchen Noten kommen vom Destillat? Was bringt das Tonic mit (hier gibt es ja auch nun mehr als eins), Wieviel tragen die als Dekoration hinzugefügten Rosmarinstängel, Lavendelblüte, Gurke, Zitrone oder Limette zu Duft und Geschmack bei.
Das Schmecken:
Wenn die Zunge zum entdecker wird
Nach dem Sehen und Riechen folgt das Schmecken, die Phase, in der wir die Flüssigkeit endlich probieren dürfen. Der Moment, in dem das Destillat den Mundraum erreicht, ist für viele Genießer der Höhepunkt eines Tastings.
Beim Schmecken spielen naturgemäß Zunge und Gaumen eine zentrale Rolle. Dabei wird das Schmecken oft verkürzt auf „süß oder nicht süß“ reduziert, obwohl die Zunge und der gesamte Mundbereich erstaunlich komplex arbeiten.


Lange hielt sich das Gerücht, jede Zone der Zunge nehme eine bestimmte Geschmacksrichtung am stärksten wahr – süß an der Spitze, bitter am hinteren Ende, sauer an den seitlichen Rändern und salzig an den vorderen Seiten.
Beim Schmecken spielen naturgemäß Zunge und Gaumen eine zentrale Rolle. Dabei wird das Schmecken oft verkürzt auf „süß oder nicht süß“ reduziert, obwohl die Zunge und der gesamte Mundbereich erstaunlich komplex arbeiten.
Kurz zusammengefasst: Die Zunge erkennt die fünf grundlegenden Geschmacksrichtungen süß, sauer, salzig, bitter und umami.
Neben diesen etablierten Grundrichtungen gibt es Diskussionen über weitere Geschmacksqualitäten. Viele Forscher vermuten einen Rezeptor für Fett, der erklären könnte, warum wir butterartige Konsistenzen oder ein cremiges Mundgefühl als besonders angenehm empfinden. Auch einer metallische Geschmackskomponente steht in der Diskussion, da einige Menschen ein klares Eisen- oder Blutartiges Aroma erkennen können. Ob das wirklich ein eigener Geschmack ist oder eher eine Mischung aus anderen Sinneseindrücken, wird weiterhin untersucht.
Wie der Mythos Zungenkarte entstand
Die sogenannte Zungenkarte oder der Zungenatlas, der unsere Zunge in streng getrennte Zonen für süß, sauer, salzig und bitter aufteilt, stammt ursprünglich aus einer Missinterpretation älterer Forschungsergebnisse. Im frühen 20. Jahrhundert untersuchte der deutsche Wissenschaftler David P. Hänig, wie empfindlich unterschiedliche Bereiche der Zunge auf bestimmte Geschmacksreize reagieren. Seine Daten zeigten tatsächlich leichte Unterschiede in der Empfindlichkeit verschiedener Regionen – aber eben nur Nuancen, keine absolut getrennten „Geschmackszonen“.

Dieser Befund wurde später in einer vereinfachten Form wiedergegeben, unter anderem vom Harvard-Psychologen Edwin G. Boring. Er übernahm die ursprünglichen Messwerte und stellte sie in einem Diagramm dar, das so aussah, als gäbe es feste Zonen für jeden Geschmackstyp. Genau diese Abbildung fand dann den Weg in viele Lehrbücher und Biologie-Kurse, sodass sich die Idee der streng getrennten Geschmacksareale hartnäckig hielt.
Weitere Forschungen haben aber längst gezeigt, dass alle Regionen der Zunge prinzipiell alle Grundgeschmacksrichtungen erkennen können. Zwar können manche Bereiche etwas empfindlicher auf Süßes oder Saures reagieren, aber niemand schmeckt Süßes nur an der Zungenspitze oder Bitteres ausschließlich hinten. Das verbreitete Zungenatlas-Modell war also eine allzu grobe Vereinfachung, die aus einem wissenschaftlichen Befund ein irreführend klares Schaubild gemacht hat.
Letztlich blieb das Ganze aber über Jahrzehnte in Schule und Populärwissenschaft hängen, weil es so einprägsam aussah.

Was zur Hölle ist umami?
Umami ist ein Begriff aus dem Japanischen und bedeutet sinngemäß „wohlschmeckend“ oder „schmackhaft“. Er wurde von dem japanischen Chemiker Kikunae Ikeda Anfang des 20. Jahrhunderts geprägt, als er bei der Untersuchung von Seetang (Kombu) einen neuen, eigenständigen Geschmack identifizierte, der nicht in die klassischen Kategorien süß, sauer, salzig oder bitter passte. Ikeda benannte ihn „umami“.
Natriumglutamat wird als Geschmacksverstärker angepriesen und findet vielfach Verwendung.
Ob das gut für die menschliche Gesundheit ist, sei an der in Frage gestellt. Umami wurde jahrelang in der westlichen Welt kritisch betrachtet oder nicht als eigene Geschmacksrichtung akzeptiert. Mittlerweile ist er jedoch weitgehend anerkannt und wird in der Kulinarik gezielt eingesetzt, um Gerichte runder, satter und intensiver schmecken zu lassen.
Scharf „schmeckt“ nicht
Scharf ist übrigens kein Geschmack, sondern eine Reizung des Trigeminusnervs. Der Trigeminusnerv, läuft vom Gaumen durch den gesamten Gesichtsbereich bis hoch zur Stirn und vermittelt verläuft und uns nicht nur „Schärfe“ vermittelt. Sicher kennt ihr „Kopfeis“, auch „Brainfreeze“, also das Gefühl eines Gefrierschmerzes nach Eisgenuss, der bis zur Stirn hochläuft. Auch hier ist der Trigeminusnerv involviert. Zurück zum Geschmack- die klassischen fünf Geschmacksrichtungen werden uns über die Zunge vermittelt. Darum kann man bei Schärfe also eigentlich nicht als echten Geschmack bezeichnen.

Die Schärfe von Capsaicin (wie in Chili) und dem Scharfstoff aus Ingwer setzt an speziellen Rezeptoren im Mund an, die sogenannte Wärme- oder Schmerzreize weiterleiten. Capsaicin dockt an den TRPV1-Rezeptoren an und suggeriert dem Gehirn eine übermäßige Hitze, obwohl tatsächlich keine Temperaturerhöhung stattfindet.
Das Resultat ist ein brennendes, prickelndes Gefühl, das direkt mit dem Schmerzempfinden zusammenhängt. Ingwer sorgt ähnlich für ein wärmendes Kribbeln, allerdings wirkt der Scharfstoff dort etwas milder und „wärmer“, während Capsaicin oft als aggressiver empfunden wird.
Nicht zufällig werden im Englischen die Begriffe „scharf“ und „heiss“ beide mit dem Wort „hot“ umschrieben.

Warum brennt Alkohol
Bei hochprozentigem Alkohol entsteht ebenfalls ein Brennen, doch hier kommt es durch die Reizung der Schleimhäute und des Trigeminusnervs zustande. Diese Reaktion ist zwar vergleichbar mit einer Schärfewahrnehmung, aber chemisch und sensorisch nicht identisch mit dem Capsaicin-Effekt. Alkohol kann die Mundschleimhaut austrocknen und leicht ätzen, was ein vorübergehendes Hitzegefühl erzeugt. Gleichzeitig tritt eine gefäßerweiternde Wirkung ein, die den Eindruck von Wärme noch verstärkt.
Während Capsaicin direkt einen Schmerz- und Hitzereiz simuliert, ist das „Brennen“ von hochprozentigem Alkohol oft ein Mischungseffekt aus Chemie, Austrocknung und der generellen Irritation des Mundraums. Beide Empfindungen laufen über den gleichen Gesichtsnerv, fühlen sich aber auf ganz eigene Weise an und können je nach Konzentration stärker oder schwächer ausfallen.
Wasser Marsch – Alkohol auf Trinkstärke reduzieren
Apropos Wasser. Gerade besagte Produkte in Fassstärke mit mehr als 50% Volumenalkohol fordern so manchen Gaumen heraus. Der Alkohol dominiert und bremst die Aromen-Wahrnehmung aus. Ein paar Tropfen Wasser wirken hier Wunder. Einfach vorsichtig hinzugeben und den Alkoholgehalt auf das für Dich gewünschte Niveau bringen.
Das ist nicht nur absolut ok, das machen auch die Hersteller. Ist Dir schon einmal aufgefallen, dass die meisten Spirituosen etwa 40% Volumen Alkohol haben, manchmal etwas darunter, manchmal etwas darüber? Nach dem Brand bzw. der Destillation liegen die Alkoholwerte deutlich höher. Die Hersteller reduzieren den Alkohol entsprechend – durch die Zugabe von Wasser.
Die Drinkability – Trinkbarkeit – ist im Bereich von 40% für die meisten Menschen optimal. Je nach Destillat und eigenem Befinden darfst Du das für Dich und auf deine persönlichen Bedürfnisse anpassen.
Nutze ein kohlensäurefreies, stilles und möglichst neutrales Mineralwasser – auf Zimmertemperatur oder maximal leicht gekühlt. Übrigen das Leitungswasser in Deutschland hat seinen sehr hohen Qualitätsstandard – allerdings ist der Härtegrad (Kalk) des Wassers regional sehr unterschiedlich. Im Gegensatz zu den USA wird in Deutschland das Trinkwasser mit Ozonbehandlung und UV-Bestrahlung und nur in extremen Ausnahmen mit Chlor keimfrei gemacht (anders als in den USA).
Es muss auch kein schottisches Quellwasser sein – aber natriumarm (wenig salzig, mineralisch) und calciumarm (Kalk) und nicht karbonisiert (kohlensäurehaltig).
Manche Enthusiasten benutzen für die exakte Dosierung von Wasser eine Pipette. Entscheide selbst!
Exkurs:
Von anderen Sinnen

Bei Tastings anderer Getränke wie zum Beispiel Craftbeer gibt es noch den ein oder anderen Aspekt, die bei einem Destillat keine Rolle spielt, hier aber zumindest kurz Erwähnung finden sollen:
Horch mal auf das Bier!
Ein Bier macht tatsächlich sogar Geräusche, die Du aber nur in der Stille wahrnimmst – nämlich das Geräusch vom Zerfallen des Bierschaums. Du kannst daran einen Rückschluss über die Konsistenz des Schaums (grobporig / feinporig ) und seine Festigkeit und damit über gewisse Eigenschaften des Bieres erhalten.
Rezens – das Prickeln
Bedingt durch die Kohlensäure im Bier kommt gerade bei der oralen Haptik, dem Mundgefühl beim Bier noch „das Prickeln“ am Gaumen hinzu. Auch hier gibt es große Unterschiede z.B. zwischen einem sehr prickenden Weizenbier auf der einen Seite und einem ungespundetem Kellerbier auf der anderen Seite der Skala. Auch dieser Faktor entfällt beim Destillat mangels Kohlensäure!
Typische Aromen
bei Whisky, Rum & Co.
Whisky zeigt sich je nach Herkunft und Fasslagerung besonders vielfältig. Typisch sind Noten von Getreide, Malz und Holz, die durch die Reifung im Eichenfass oft von Karamell, Vanille oder sogar Rauch (bei getorftem Whisky) begleitet werden. Manche Whiskys erinnern an Honig und Trockenfrüchte, andere eher an würzige Pfeffernoten oder maritime Anklänge wie Salz und Seetang.
Rum wird aus Zuckerrohrprodukten wie Melasse oder Zuckerrohrsaft gewonnen. Er kann von frisch und grasig (besonders wenn aus Zuckerrohrsaft) bis zu schwer und süß reichen. Typische Aromen umfassen karamellige, tropisch-fruchtige Nuancen wie Banane, Ananas oder reife Mango. Gereifte Varianten bringen zusätzlich Noten von Vanille, Eiche und manchmal leichte Raucharomen ins Spiel.
Tequila stammt ausschließlich aus der blauen Weber-Agave. Ein Blanco-Tequila offenbart oft frische, grüne Aromen von Kräutern und Zitrus, manchmal auch leicht süßliche Agavennoten. Reposado- und Añejo-Versionen werden durch Fasslagerung runder, mit zusätzlichen Vanille-, Karamell- und Holztönen, bleiben aber in der Grundnote erkennbar herbal-agavig.
Wodka gilt gemeinhin als eher neutral, kann jedoch subtile Nuancen je nach Rohstoff mitbringen. Getreidebasierter Wodka kann eine leichte Getreidesüße oder Nuancen von Brotkruste zeigen. Kartoffelwodka wirkt dagegen eher cremig und weich, bei gleichzeitig mildem Charakter. Typischerweise bleibt Wodka schlicht und klar, ohne dominierende Aromen.
Brandy und Cognac werden aus Wein oder Traubenmost gebrannt. Bei Cognac – dem geschützten Herkunftsbrand aus der Region Cognac in Frankreich – dominieren oft fruchtige Noten von Trauben und Trockenfrüchten, gepaart mit Vanille- und Eichenaromen durch die Fassreifung. Brandy aus anderen Regionen kann ähnlichen Charakter aufweisen, bei dem fruchtig-blumige Duftnoten von der Traube je nach Alter mehr oder weniger von holzigen Fassnuancen überlagert werden.
Grappa entsteht aus den Pressrückständen (Trester) der Weintrauben. Typischerweise kombiniert er fruchtige Aromen – je nach verwendeter Rebsorte – mit einer leichten Würze und manchmal auch floralen, nussigen oder grasigen Untertönen. Je nach Ausbaustil kann Grappa frisch und fruchtig oder durch Holzfasslagerung weicher und reichhaltiger sein, mit zusätzlichen Vanille- oder Röstnoten.
Ab in den Hals
Tasting – Antrunk
Beim ersten Eindruck, auch Antrunk genannt, spürst du meist sofort, ob das Destillat eher spritzig, weich, lieblich oder scharf wirkt. Das Mundgefühl, oft als orale Haptik bezeichnet, sagt aus, ob sich das Getränk schwer und ölig auf die Zunge legt oder eher dünn und wässrig wirkt. Ein lang gereifter Rum kann ein sehr weiches, cremiges Gefühl haben, während ein junger Gin manchmal leicht prickelnd und kantig erscheint. Zudem kann es sein, dass ein Whisky durch den hohen Alkoholgehalt anfangs ein kurzes Brennen verursacht, das nach ein paar Sekunden wieder abklingt.


Tasting – Abgang
Der Abgang oder Nachhall beschreibt die Zeit, die das Aroma auf Zunge und Gaumen bleibt, nachdem du geschluckt hast. Ein langer Abgang ist ein Zeichen von Komplexität. Aromen wie Karamell, Eiche, Früchte oder Gewürze können sich noch Minuten später im Mund zurückmelden. Diese Dauer und Intensität trägt enorm zum Genuss bei. Ein sehr kurzer Abgang kann bei hochklassigen Spirituosen als unbefriedigend empfunden werden, während ein langer, vielschichtiger Nachklang für echte Begeisterung sorgt. Allerdings ist das immer auch Geschmackssache, denn manche Leute mögen schnelle, eher flüchtige Eindrücke, andere freuen sich, wenn sie das Destillat noch später schmecken.
Neutralisieren des Munds – Reset der Zunge
Wenn du mehrere Destillate nacheinander verkostest, ist es wichtig, ab und zu deinen Mund zu neutralisieren. Ein Schluck stilles Wasser hilft, überschüssige Aromen und Alkoholreste wegzuspülen. Ein Stückchen Brot, idealerweise wenig gewürzt oder gesalzt, unterstützt diesen Effekt. So hast du eine bessere Grundlage, um das nächste Destillat unvoreingenommen zu beurteilen.

Weitere Tasting Faktoren
Gläser & Sensorik: Warum die Wahl des richtigen Glases wichtig ist
Wer sich mit Tasting und Sensorik beschäftigt, merkt schnell, dass auch das Glas eine Rolle spielt. Es muss nicht immer das teure Designerstück sein, doch Form und Größe beeinflussen, wie wir die Aromen wahrnehmen. Bei einem bauchigen Kelch können sich die Düfte gut sammeln und konzentrieren, bevor sie durch die schmalere Öffnung zur Nase geleitet werden. Wer kennt nicht das typische Nosing-Glas mit seinem tulpenförmigen Aufbau.

Diese Form hilft dabei, die Aromen nach oben zu lenken, sodass du sie gezielt erschnuppern kannst. Ein Pokal oder ein Tumbler mag schick aussehen und kann sich für Cocktails eignen, doch für ein echtes Tasting ist das Nosing-Glas meist überlegen.
Die Oberfläche und die Öffnung des Glases sind entscheidend. Je größer die Oberfläche, desto intensiver die Verdunstung der Aromastoffe. Das kann positiv sein, weil du mehr Geruchspartikel in der Luft hast. Eine zu große Öffnung lässt aber auch viele Aromen sofort entweichen, was sie schnell verflüchtigen kann.
Eine zu kleine Öffnung kann das Gegenteil bewirken und zu einem zu konzentrierten Eindruck führen, was manche Nasen als scharf oder stechend empfinden. Hier gilt es, eine gute Balance zu finden.
Für Whiskys oder hochprozentige Edelbrände sind Nosing-Gläser mit einem schmalen oberen Durchmesser beliebt. Gin-Liebhaber greifen gern zu größeren Gläsern, etwa einem Copa-Glas, wenn sie Gin und Tonic mixen. Pure Gin-Verkostungen hingegen profitieren eher von einem schlanken Tastingglas.
Letztlich ist das alles kein Dogma, aber wenn du dich ernsthaft mit Sensorik beschäftigst, solltest du ein oder zwei Glastypen haben, die für dich gut funktionieren.

Trinktemperatur: Aromen freisetzen oder einfrieren?
Die Trinktemperatur hat einen enormen Einfluss auf die Wahrnehmung der Aromen. Grundsätzlich gilt: Je kälter eine Flüssigkeit ist, desto weniger Aromen können sich entfalten. Das liegt am physikalischen Prinzip der Verdunstung. Wärme beschleunigt das Verdunsten flüchtiger Aromastoffe, wodurch sie schneller in die Nase gelangen. Eine zu hohe Temperatur kann allerdings den Alkohol in den Vordergrund drängen. Bei sehr warmen Temperaturen kann ein Spirituose intensiver nach Ethanol riechen, was andere Noten übertönen kann.
In manchen Ländern werden bestimmte Destillate eiskalt serviert, etwa Vodka in Osteuropa, um ihn weicher und weniger brennend wirken zu lassen.
Viele erfahrene Verkoster raten dazu, Destillate bei Zimmertemperatur zu probieren, also etwa bei 18 bis 22 Grad Celsius. So hat man einen guten Kompromiss zwischen Aromafreigabe und Alkoholdominanz. Es kann trotzdem Sinn machen, einen besonders hochprozentigen Whisky oder Rum leicht abzukühlen oder ein paar Tropfen Wasser hinzuzufügen, um die Aromen zu öffnen. Das ist letztendlich eine Frage des persönlichen Geschmacks und der Experimentierfreude.
Das bedeutet, dass man zwar eine angenehm kühle Textur erhält, dabei aber auch viele feine Duftstoffe verliert. Ähnliches gilt für Gin, der beim Mixen mit Eis in Cocktails kühler wird, was aber durch Zugabe von Tonic und diversen Garnierungen wieder ausgeglichen wird. Wenn du das volle Potenzial eines edlen Destillats ausschöpfen möchtest, lohnt es sich in den meisten Fällen, es ungekühlt zu probieren. Erst danach kann man immer noch entscheiden, ob man Kälte oder Eiswürfel hinzufügen möchte.
Tasting Atmosphäre: Sensorik beginnt im Kopf
Der beste Brandy oder Whisky kann enttäuschen, wenn die äußeren Umstände nicht stimmen. Lichtverhältnisse spielen zum Beispiel eine große Rolle, weil du für die Optik-Erfassung weder ein grelles Scheinwerferlicht noch eine düstere Atmosphäre willst. Ein mittelhelles, möglichst natürliches Licht ist hilfreich, um Farbe und Klarheit realistisch zu sehen. So kann dein Gehirn bereits erste Hinweise verarbeiten, ohne geblendet zu werden.

Die Temperatur im Raum sollte angenehm sein, nicht zu kalt, nicht zu warm. Lärm oder Stress können ebenfalls kontraproduktiv sein, weil sie dich von der Sinneswahrnehmung ablenken. Ein ruhiges Umfeld hilft dir, dich besser auf die Aromenvielfalt einzulassen. Das heißt nicht, dass ein Tasting immer in einer Bibliothek stattfinden muss, aber wer ständig abgelenkt wird oder Druck verspürt, wird schwerlich die Feinheiten herausschmecken.
Für viele ist Tasting auch ein sozialer Akt, bei dem man mit Freunden zusammensitzt und sich über Eindrücke austauscht. Das kann sehr bereichernd sein, weil jeder Mensch etwas anderes in einem Destillat entdeckt. Manche schmecken zum Beispiel mehr Vanille, andere vielleicht eher reife Früchte. Dieser Austausch fördert das Bewusstsein dafür, wie subjektiv Aromen wahrgenommen werden und wie viel Spaß es macht, diese Vielfalt zu entdecken.
Eine lockere, entspannte Stimmung unterstützt die Freude am Genuss.
Der Ablauf eines
gelungenen Tastings

Ein Tasting kann natürlich sehr individuell ablaufen, doch es gibt einen groben roten Faden, an dem du dich orientieren kannst. Wer bei der Sensorik strukturiert vorgeht, erlebt das Destillat oft sehr viel intensiver. Ein möglicher Ablauf beginnt mit der Vorbereitung: Sorge für eine entspannte, ruhige Atmosphäre, passendes Licht und saubere Gläser. Entscheide dich für die richtige Trinktemperatur und stell Brot und stilles Wasser bereit, um zwischen den Proben neutralisieren zu können.
Als Erstes nimmst du das Glas in die Hand und schaust dir die Flüssigkeit an. Achte auf Farbe, Klarheit und Viskosität. Schwenke es leicht, beobachte die Kirchenfenster und notiere dir vielleicht schon erste Eindrücke.
Dann geht es zum Riechen. Halte das Glas zunächst etwas von der Nase entfernt und nähere dich langsam. Atme normal ein, ohne zu heftig zu schnuppern, damit du dich nicht an den Alkoholdämpfen verschluckst. Versuche, einzelne Aromen mental zu benennen, etwa „fruchtig“, „würzig“, „karamellig“ oder „rauchig“. Schwenke das Glas leicht, um neue Duftstoffe freizusetzen, und gib deiner Nase Zeit, alles aufzunehmen.
Dann folgt das Schmecken. Nimm nur einen kleinen Schluck und lasse das Destillat ein paar Sekunden im Mund kreisen. Achte auf den Antrunk, also den sofortigen allerersten Eindruck. Spürst du eine Süße an der Zungenspitze? Ein warmes Kribbeln am Gaumen?

Nachdem du geschluckt hast, lausche auf den Abgang. Wie lange bleibt das Aroma bestehen? Hast du eher fruchtige, holzige oder nussige Noten im Nachklang? Wenn du magst, probiere einen zweiten kleinen Schluck, um deine Eindrücke zu vertiefen.
Zwischen verschiedenen Proben kannst du ein Stück Brot essen oder etwas Wasser trinken, damit du die Zunge neutralisierst. Oder rieche mal an einer Hand voll Kaffeebohnen. Das setzt Deinen Geruchssinn zurück. Wechsle auch mal das Glas oder die Hand, mit der du das Glas hältst, denn manchmal kann auch die eigene Körpertemperatur das Destillat leicht beeinflussen. Genieße das Gespräch mit anderen Interessierten, teile deine Eindrücke und sei offen für neue Perspektiven.

Wer sich intensiver mit Tasting und Sensorik auseinandersetzen möchte, kann sich ein Notizbuch anlegen, in dem er seine Eindrücke festhält. Dort könntest du Farbe, Geruch, Geschmack, Abgang und Gesamteindruck notieren und später Vergleiche anstellen. Das hilft dir, deinen Sensorik-Wortschatz auszubauen und treffsicherer zu beschreiben, was du wahrnimmst.
Mit der Zeit wirst du staunen, wie viele Nuancen du in einem Destillat erkennen kannst, und wie sich deine Vorlieben herausbilden.
Training für die Sinne
Man kann seine Wahrnehmung, insbesondere das Erkennen und Benennen von Gerüchen, gezielt schulen, indem man sich regelmäßig und systematisch mit verschiedenen Duftquellen auseinandersetzt. Eine bewährte Herangehensweise ist das „Duft- oder Aromatraining“, das mit ein paar einfachen, aber wirkungsvollen Übungen beginnt und mit viel Aufmerksamkeit und Neugier betrieben wird.
Man kann Düfte sammeln
Eine klassische Übung besteht darin, sich ein „Duftarchiv“ anzulegen. Du sammelst verschiedene Gewürze, Kräuter, Tee- und Kaffeesorten oder auch Parfümproben in kleinen, gut verschließbaren Gläschen. Immer, wenn du dir Zeit nimmst, öffnest du eines der Gefäße, riechst konzentriert daran und überlegst dir, woran dich das Aroma erinnert. Riechst du Zitrusnoten, eine Würze wie Muskat oder eher einen süßen, warmen Ton wie Vanille? Wichtig ist, dass du nicht nur sagst „Das riecht toll“, sondern versuchst, konkrete Assoziationen zu finden. Diese können ganz individuell sein, wie „Butterplätzchen“, „Waldspaziergang“ oder „Zitronenschale“.

Tipp: Als Bier- und Destillat-Sommelier finde ich die Geruchserkennung sehr spannend. trainieren. Ich habe ich mir eine kleine Sammlung von aromatisierten Ölen zugelegt und in verdeckt beschriftete Miniaturfläschchen umgefüllt. Damit frische ich meine Erinnerungen gelegentlich auf. Zudem verteile ich bei Tastings gerne ein duzend davon als kleines Ratespiel.
Das regt zum Austausch an und verdeutlicht den Teilnehmern, dass es kein richtig und falsch gibt, sondern es sich eine um sehr subjektiv Sache handelt. Man bekommt aus dem Weinbereich auch fertige Aromen-Sammlungen. Diese sind jedoch nicht gerade billig und sehr auf Weinaromen- und Weinfehlaromen fokussiert.
Eine weitere Übung ist das Riechen nach Kategorien. Du kannst zum Beispiel an einem Tag nur Kräuter und Gewürze der Mittelmeerküche in kleinen Dosen (Gewürzsteuern) erschnuppern und sie nacheinander bewusst erleben. Am nächsten Tag widmest du dich nur blumigen Düften, etwa Rosenblättern, Lavendel oder Jasmin. Das Fokussieren auf eine bestimmte Kategorie im Wechsel sorgt dafür, dass du feine Unterschiede besser wahrnimmst.
Wer den nächsten Schritt gehen will, kann ein Notizbuch führen. Notiere dir, welche Düfte du an einem Tag erschnupperst, zum Beispiel beim Spazierengehen, im Supermarkt oder beim Kochen.
Dazu schreibst du, ob sie dir bekannt vorkommen und an welche Erlebnisse sie dich erinnern. Dieses Bewusstmachen verknüpft den Duft stärker mit einem Begriff oder Bild, sodass du ihn beim nächsten Mal schneller erkennst.
Hilfreich ist auch der Austausch in einer Gruppe oder einem Tasting-Club. Wenn andere Menschen ihre Wahrnehmung beschreiben und Begriffe für Düfte finden, kannst du vergleichen, ob du ähnliche Eindrücke hast. Oft erkennt man, dass man zwar ähnliche Aromen wahrnimmt, aber andere Worte findet – oder im Gegenteil ganz neue Noten entdeckt, die man selbst nicht benennen konnte.
Nicht immer, aber immer öfter
Regelmäßigkeit ist beim Dufttraining nicht unwichtig. Schon einige Minuten pro Woche reichen, um die Sensorik deutlich zu verbessern. Eine bewusste Atmung und Ruhe während des Riechens helfen zudem, sich nicht ablenken zu lassen. Viele stellen fest, dass sie nach einigen Wochen intensiven Trainings Gerüche schneller und konkreter benennen können. Wie beim Sport trainiert man einen „muscle memory“-Effekt für die Nase.

Zusammengefasst bedeutet das:
Wiederkehrende kurze, aber fokussierte Übungseinheiten, systematisches Vorgehen in Kategorien, das Führen eines Duft-Tagebuchs und gelegentlicher Austausch mit anderen Genießerinnen und Genießern. So baust du nach und nach eine echte „Geruchsbibliothek“ auf, in der du immer mehr Begriffe für deine Wahrnehmung findest – und deine Nase entfaltet ihr volles Potenzial.
Don´t panic – it´s just a drink!
Abschließend ist es mir wichtig zu betonen, dass es beim Tasting und bei der Sensorik nicht darum geht, eine exakte Wissenschaft daraus zu machen – auch diese im vorhergehenden Absatz vielleicht so geklungen haben könnte.
Es geht um Genuss, Neugier und den Respekt vor dem Handwerk, das in einer hochwertigen Spirituose steckt. Jede Nase riecht anders, jeder Gaumen schmeckt anders, und was dem einen mundet, findet der andere vielleicht eher unspektakulär.

Genau das ist das Schöne an der Vielfalt. Wenn du dir die Zeit nimmst, beim nächsten Glas achtsam hinzuschauen, zu riechen und zu schmecken, wirst du merken, wie ein Destillat plötzlich eine ganze Geschichte erzählt.
Es erzählt von seinem Rohstoff, seiner Brennerei, seiner Reifung und sogar von den Menschen, die es hergestellt haben.
Ein guter Moment, um dann vielleicht die Augen zu schließen, tief durchzuatmen und zu spüren, warum dieser bewusste Genuss etwas ganz Besonderes ist.
Genieße und entspanne!