Grappa – vom Bauernschnaps zum Nationalgetränk

Mit dem Grappa gelangt ein Stück Bella Italia an unseren Gaumen. So variantenreich wie die Melodien einer Oper sind die unterschiedlichen Geschmackskompositionen, die der Klassiker unter den italienischen Spirituosen bereit hält.

Meist wird er als Digestif nach genossen, pur oder als Schuss im Espresso oder Kaffee. Doch auch für die italienische Küche ist er unverzichtbar. Wir möchten Euch heute berichten, wie Grappa entstanden ist und wie er hergestellt wird.

Was ist ein Grappa?

Grappa, im Plural Grappas oder ital. Grappe, ist ein Tresterbrand aus Italien bzw. der italienischen Schweiz. Nimmt man es genau, ist „der Grappa“ eigentlich „die Grappa“. Denn sein Name leitet sich vom italienischen Wort „graspo“ ab, was Traube bedeutet. Die männliche und die weibliche Form werden heute im Sprachgebrauch gleichberechtigt verwendet.

Mit dem Begriff Trester bezeichnet man die alkoholhaltigen Pressrückstände in der Weinherstellung. Grappa enthält einen Mindestalkohol von 37,5% Vol. und ein Maximum von 60% Vol., in seltenen Fällen auch bis zu 70% Vol..

Die Geschichte des Grappas

Wie genau die Destillationstechniken nach Italien gelangten, ist unklar. Hierzu existieren mehrere Theorien. Demnach brachten möglicherweise Bauern aus dem Burgund das Wissen um die Brennkunst zu ihren Kollegen im Friaul. Auch die Araber kommen als Lehrmeister in Frage.

Weite Verbreitung erfuhr das Destillationshandwerk mit Beginn der Kreuzzüge im 11. Jahrhundert. Nach Italien zurückkehrende Gelehrte hatten das entsprechende Know-How im Gepäck. Der Jesuitenorden, gegründet 1540, sorgte für dessen Verbreitung. Aus dieser Zeit stammen auch die Dokumente, in denen erstmals die Destillation von Wein Erwähnung findet.

Aufstieg und Reglementierung des Grappas

Im Jahre 1451 wird Grappa zum ersten Mal bei seinem heutigen Namen genannt. Das Testament eines piemontesischen Notars gab die Anweisung, dass seine Nachfahren u. a. einen Keller samt Destillationsanlage und größeren Mengen an „aquavit“ bzw. „grape“ erben sollten.

Rasch florierte der Handel mit dem Tresterbrand. Vor allem Kleriker und Bauern erfreuten sich an diesem Genuss. Im 15. Jahrhundert erfolgte eine Reglementierung. Es ist unklar, worauf diese genau zurückzuführen ist. In Frage kommen der Neid der hohen Kleriker auf das einfache Volk oder der Gedanke, die Menschen vor ihrem eigenen Verderben durch Alkoholexzesse zu schützen. Infolge der Sanktionen waren nur noch kleinste Mengen für den Eigenbedarf erlaubt.

Entwicklung zum Nationalgetränk und Wandel zur Edelspirituose

Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts behielt der Grappa den Ruf eines Abfallprodukts der Weinherstellung. Erst während des ersten Weltkriegs kam er zum Status eines Nationalgetränks. Die Gebirgsjäger, die in den Alpen gegen die Deutschen kämpften, verzehrten tägliche Grappa-Rationen. Dadurch stärkten sie ihren Mut. Die aufputschende Kraft des Getränks leistete somit in gewisser Weise einen Beitrag zur Entwicklung des italienischen Nationalstolzes.

Den Ruf als Getränk der einfachen Bauern verlor der Tresterbrand jedoch erst eine Weile später. Technische Verbesserungen sorgten ab Mitte des 20. Jahrhunderts dafür, dass Grappa in den Fokus der Gourmetwelt geriet. Von diesem Zeitpunkt an startete er einen Siegeszug um die ganze Welt.

Herstellung und Lagerung von Grappa

Bis zu seiner Abfüllung in Flaschen sind einige Arbeitsschritte erforderlich. Für alle gibt es gesetzliche Vorgaben. So ist als Grundlage ausschließlich Trester von italienischen Weintrauben erlaubt. Einzig Brennereien aus dem schweizerischen Tessin wurde durch ein EU-Gesetz im Jahre 1999 die Produktion von Grappa ebenfalls gestattet.

Weinlese und Vergärung

Mit der Weinlese beginnt der Weg des Grappas. Der Destillateur ist daran nicht unbedingt beteiligt. Auf dem Weingut werden die geernteten Weintrauben, eingemaischt, vergoren und gepresst. Unmittelbar nach Beendigung des Pressvorgangs werden die Trester genannten Rückstände, bestehend aus Kernen, Schalen, Stengeln und Stielen, beim Winzer abgeholt.

Der Grund für den raschen Handlungsbedarf liegt darin, dass mikrobiologische Prozesse von Stunde zu Stunde die Qualität des Tresters durch Oxidation verringern. Aufgrund dieser Verderblichkeit leitet der Brennmeister sofort eine kontrollierte Gärung ein, die nach etwa zwei Wochen abgeschlossen ist.

Weißwein und Rotwein unterscheiden sich in der Art und Weise, wie sie vergoren werden. Bei der Produktion eines Weißweins trennt man den Trester sofort vom Most. Ausgewählte Hefen sorgen für die Fermentation. Hingegen vergärt Rotwein gemeinsam mit dem Most. Daher ist der Trester bereits vergoren und mit der Destillation kann umgehend begonnen werden.

Destillationsverfahren – diskontinuierlich oder kontinuierlich?

In der Regel wird der Trester zweimal gebrannt bzw. destilliert. Es gibt zwei Methoden zur Destillation, die diskontinuierliche Methode und die kontinuierliche Methode. Die diskontinuierliche Variante herrscht vor, obwohl mit beiden Varianten Grappas der Spitzenklasse erzeugt werden.

Bei der diskontinuierlichen Methode folgt auf jeden Brennvorgang eine Unterbrechung zur Reinigung der Geräte. In diesem traditionellen Verfahren entleert der Brennmeister die Brennblase, säubert sie und befüllt sie neu.

Die Destillation erfolgt entweder durch die Erhitzung im Wasserbad oder die Extraktion mit Hilfe von Wasserdampf. Jeder Brennmeister entscheidet sich nach Vorliebe für eine der Möglichkeiten. Beide sind sowohl artisanal als auch diskontinuierlich. In Südtirol überwiegt die Destillation im Wasserbad. Dies wird mit dem Zusatz „distillata a bagnomaria“ häufig auf dem Etikett als Zeichen für Qualität vermerkt.

Bei der kontinuierlichen Methode findet der Brennvorgang ohne Unterbrechung statt. Die Zufuhr ohne Pause findet man nur noch selten, da bei der direkten Befeuerung die Gefahr besteht, dass der Trester am Kesselgrund anbrennt.

Aufgrund unterschiedlicher Siedepunkte der einzelnen Bestandteile des Tresters lösen sich Fuselstoffe und Wasser vom Destillat. Nach Abschluss der Destillation lagert der Grappa für mindestens sechs Monate in einem Holzfass.

Er hat zu diesem Zeitpunkt einen Alkoholgehalt zwischen 70 und 85% Vol.. Vor der Abfüllung in Flaschen wird der Alkoholgehalt des Grappas mit Hilfe von entmineralisiertem Wasser auf Trinkstärke reduziert. Ab diesem Zeitpunkt ist er bereits verzehrfertig und darf zum Kauf angeboten werden.

Moderne Lagerungs- und Verfeinerungspraktiken

Seit der Grappa in der Gourmetküche angekommen ist, widmen sich die Brennmeister noch intensiver der Verfeinerung ihrer Produkte. Vor allem hinsichtlich des Reifeprozesses verändern sich die Gewohnheiten. Oftmals gönnt man dem Grappa eine wesentlich längere Fasslagerung als die vorgeschriebenen sechs Monate.

Die lange Reifezeit verändert nicht nur die Farbe des Grappas zum bräunlichen hin. Sie sorgt auch für die Entwicklung des Aromenspektrums der Spirituose. Durch die Atmung des Holzes kommt der Grappa mit Sauerstoff in Berührung, wodurch er süßer und weicher wird. Die dezent rauchigen Vanillenoten harmonieren in der Regel sehr gut mit den Tresteraromen. Je länger die Lagerungszeit ist, desto mehr gewinnt der Trester an Geschmack und verliert seine scharfen Noten.

Die Fässer sind aus unterschiedlichen Hölzern gefertigt. Dazu gehören u. a. Apfel, Birne, Eiche, Esche, Kastanie und Kirsche. Neben der Länge der Lagerungszeit sind sie der entscheidende Faktor bei der Geschmacksentwicklung. Die Auswahl des Holzes erlaubt es dem Brennmeister, Farbe, Geruch und Geschmack zu beeinflussen. So besitzen Grappas aus Eichenholzfässern, die im Südtirol hauptsächlich genutzt werden, ein herberen Geschmack als diejenigen, die im Kirschholzfass reifen.

Wie lange ein Grappa gelagert wurde, erfährt man durch das Etikett. Beispielsweise bedeutet der Zusatz „invecchiata“ eine Reifezeit von 3 Jahren, „stravecchia“ eine von zehn. Manchmal findet sich unter der Angabe „riserva“ auch das konkrete Produktionsjahr.

Eine Zugabe von Zucker und Aromastoffen bis zu einer bestimmten Mengengrenze ist erlaubt, um den Geschmack zu verfeinern. Jedoch ist diese Vorgehensweise bei Experten heftig umstritten.

Heutige Produktion und Qualitätsbewertung

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt das Veneto als Hauptstandort der Grappaherstellung in Italien. Heute wird er im gesamten Land produziert. Ähnlich wie beim Wein lässt sich ein immer stärker werdendes Streben nach Qualität ausmachen.

Zur Festlegung offizieller Herkunftsbezeichnungen ist es beim Grappa allerdings noch nicht gekommen. Dennoch geben viele Erzeuger die verwendeten Rebsorten mittlerweile an. Für den Kenner spielen diese Angaben eine bedeutende Rolle hinsichtlich der Bewertung der Qualität. Allerdings bedeutet das nicht zwangsläufig, dass Grappas aus verschiedenen Rebsorten nicht ebenso erstklassig sein können.

Grappa überzeugt durch seine unendliche Vielfalt der Aromen. Der feuchte Trester bietet vielfältigere Eindrücke als Wein. Dazu gehören z. B. Nuancen von Blüten, Johannisbeere, Waldbeere, Kirsche, Lakritz, Marmelade, Pflaume und viele mehr.

Die Weine aus den verwendeten Rebsorten helfen bei der groben Orientierung. Würzigen und komplexen Grappa erhält man durch die Destillation aus Trestern von Cabernet Sauvginon-, Dolcetto- und Barbera-Trauben. Weicher hingegen präsentieren sich die Vertreter aus den Rebsorten Burgunder oder Chardonnay. Wer es betont fruchtig mag, trinkt Grappa aus Moscato oder Traminer Aromatico.