Cachaça – Samba in der Flasche!

Der Cachaça ist in unseren Breiten gefangen im Rollenmodel: Meist ist er Teil des Caipirinha oder anderer Cocktails. Pur mag ihn so niemand wirklich probieren. Großer Fehler!

Der brasilianische Zuckerrohrbrand blickt auf eine ebenso bewegte Geschichte zurück wie andere Spirituosen. Die Funktion als Fusel zum Mischen treibt dem traditionsbewussten Brasilianer womöglich die Tränen in die Augen, denn artisanaler Cachaça liegt im Trend. Wir zeigen Euch, wie der Cachaça zu dem wurde, was er heute ist.

Was genau ist Cachaça?

Cachaça ist eine Spirituose aus Brasilien, die aus dem Saft des Zuckerrohrs hergestellt wird. Damit unterscheidet sie sich vom Rum, für den die Melasse des Zuckerrohrs meist die Basis ist.

Der Name Cachaça war ursprünglich die Bezeichnung für die Rückstände, die beim Kochen der zerdrückten Stengel entstanden. Bevor das Getränk den Namen übernahm, hieß es „Aguardente“, was so viel bedeutet wie Feuerwasser. Umgangssprachlich bezeichnen die Brasilianer den Cachaça auch als „Pinga“, was übersetzt so viel wie Fusel bedeutet.

Der Alkoholgehalt von Cachaça liegt in Brasilien per Gesetz zwischen 38% und 48%. Produkte mit höherem Alkoholgehalt (bis zu 54%) bekommen für Verkauf und Export die Bezeichnung Aguardente bzw. Aguardente de cana.

Cachaça ist als Herkunftsbezeichnung geschützt. Daher muss dort verkaufter Cachaça auch zwangsläufig im Inland produziert worden sein.

Geschichte des Cachaça

Der Beginn der Geschichte des Cachaças geht einher mit der Brasiliens. Um das Jahr 1530 herum kolonisierten die Portugiesen den nordöstlichen Teil des Landes. Den Anbau von Zuckerrohr hatten sie bereits erfolgreich auf der Insel Madeira eingeführt. Die klimatischen Bedingungen an der brasilianischen Küste eigneten sich noch wesentlich besser für den Anbau.

Jedoch benötigte man nicht nur ausreichend Sonne, sondern auch viele Arbeitskräfte.  Da sich die Native American Tribes nicht versklaven ließen, importierten die Plantagenbesitzer Sklaven aus Afrika.

Entstehungslegenden

Im Zusammenhang mit den unfreiwilligen Arbeitern stehen einige Legenden zur Entstehung der Spirituose. So wurde z. B. angeblich einer der Sklaven zum Trinken des Zuckerrohrsafts gezwungen und entdeckte dabei dessen euphorisierende Wirkung.

Eine andere Geschichte erzählt von Sklaven, die die gleiche Entdeckung während des Kochens einer Mischung aus alter und neuer Melasse machten. Der Alkohol aus dem Anteil alter Melasse verdampfte und bildete Tropfen an der Decke der Mühle. Davon fielen einige herunter, landeten auf der Stirn der Arbeiter und schließlich in deren Mund. In diesem Zusammenhang soll auch umgangssprachliche Bezeichnung „Pinga“ (Tropfen) für den Cachaça entstanden sein.

So traurig wie spannend diese Geschichten zum Ursprung auch klingen mögen, wahrscheinlicher ist eine andere. Die Araber brachten nach dem Besetzen der iberischen Halbinsel Destillationstechniken nach Portugal. Gut möglich, dass die Portugiesen diese mit nach Amerika verschifften.

1635 – Verbot und anschließender Boom

Das zeitweilige Verbot im Jahre 1635 hatte zwei Gründe. Erstens konsumierten die Sklaven zu viel von dem Zuckerwein. Zweitens setzten immer mehr Zuckerfabriken auf das lukrative Geschäft mit dem Cachaça. Damit stand er bei den Exportgütern in Konkurrenz zu dem portugiesischen Zuckerrohrschnaps „Bagaceira“. Nach Aufhebung des Verbotes folgte eine hohe Besteuerung. Der Konflikt zwischen Krone und Herstellern gipfelte in Revolten.

Nachdem diese beendet waren, boomte der Cachaça. Er wurde zur Schattenwährung der Krone für den Import von Sklaven. Noch heute bezeichnen die Portugiesen ihn mit dem Begriff „Moeda velha“, was „die alte Währung“ bedeutet. 1755 waren die Kassen durch Steuereinnahmen so prall gefüllt, dass sich dadurch der Wiederaufbau Lissabons nach einem Brand finanzieren ließ.

18. und 19. Jahrhundert – Verbreitung und Bedeutungsverlust

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts breitete sich die Cachaça-Produktion über ganz Brasilien aus. Sie wird zu einem festen Bestandteil der Kolonialisierung. Nach Goldfunden im Bundesstaat Minas Gerais entsteht dort eine eigene Tradition der Produktion von Cachaça. Zur ersten großen Hauptstadt des Cachaça avanciert die Kolonialstadt Paraty im Bundesstaat Rio de Janeiro. Hier stellen über 160 Brennereien die Spirituose her.

Nach der Unabhängigkeit Brasiliens im Jahre 1822 verliert der Cachaça seine Bedeutung. Galt er zuvor als Zeichen der Unabhängigkeit gegen den Kolonialherrn Portugal, kommt er ohne die Strahlkraft als Symbol etwas aus der Mode.

Das 20. Jahrhundert – Rückbesinnung und Industrialisierung

Die Modewoche im Jahr 1922 markiert den Anfang der Renaissance des Cachaças. Fortan wächst die Anerkennung als Kulturgut und hochwertige Spirituose. Infolgedessen entstehen neue Produktionsszentren wie Januária in Minas Gerais, wo vor allem Cachaça der höchsten Güteklasse hergestellt wird. Durch die Steigerung der Produktion sinkt die Qualität, weshalb Salinas Januária als Zentrum der handwerklichen Cachaça-Produktion ablöste.

In den 1950er-Jahren hält die Industrialisierung Einzug in die Cachaça-Produktion. Durch kontinuierliche Produktionsverfahren statt chargenweiser Destillation vervielfachen die Brennereien die hergestellte Menge. Zum Zentrum des industriell hergestellten Cachaças wird São Paulo. Deutschland entwickelt sich zum größten Exportmarkt. Nach Vodka und Soju ist Cachaça zu Beginn des 20. Jahrhunderts die weltweit am drittmeisten getrunkene Spirituose.

Die Rückkehr des Cachaça Artesanal

Etwa 1,3 Milliarden Liter produziert Brasilien heute. Davon wird nur ca. 1% exportiert. Pro Kopf liegt der Verbrauch im Inland bei etwa 9 Litern.

Seit Mitte des letzten Jahrzehnts erlebt der handwerklich hergestellte Cachaça ein Comeback. Bei etlichen Herstellern aus Santa Catarina, Rio de Janeiro und Minas Jerais regiert die Überzeugung, nur der sogenannte Cachaça Artesanal liefere herausragende Qualität. Daher halten sie an der traditionellen Herstellungsweise fest.

Sowohl in seiner Heimat als auch in einigen Exportländern, wie z. B. den USA, vergrößert sich die Nachfrage nach Cachaça Artesanal. In Europa hat der industriell hergestellte Cachaça noch die Nase vorn. Dabei eignet er sich auch zum puren Genuss und für die anspruchsvolleren Cocktails

Herstellung und Lagerung

Während der Ernte wird das Zuckerrohr per Hand oder maschinell kurz oberhalb des Erdbodens abgeschlagen. Anschließend entfernt man alle Blätter, denn für die folgenden Arbeitsschritte wird lediglich der Stengel verwendet. Walzen pressen aus diesen den Saft, wobei sich immer nur ein Teil des Zuckers entfernen lässt. Der als Bagasse bezeichnete Rest dient teilweise zur Befeuerung der Brennkessel.

Gärbehälter fangen den Saft des Zuckerrohrs auf. Ohne Zusatz von Hefen startet der Fermentationsprozess.  Sie werden nicht benötigt, da die Zuckerrohrpflanzen die Hefepilze selbst mitbringen. Dementsprechend zügig geht dieser Schritt vonstatten. Der fertige Zuckerrohrwein besitzt einen Alkoholgehalt zwischen 15 und 18 Vol.-%.

Die Destillation – kontinuierlich oder diskontinuierlich

Es folgt eine ein- oder mehrfache Destillation. Der entstandene Brand hat einen Alkoholgehalt zwischen 38 und 48 Vol.-%. Für die Durchführung des Brennvorgangs gibt es zwei unterschiedliche Methoden – die kontinuierliche und die diskontinuierliche.

Bei der kontinuierlichen Methode, die eher industriellen Charakter hat, wird die Maische ohne Unterbrechung hinzugefügt. Die Anlagen bestehen aus langen Kolonnen und zahlreichen Trennböden. Man erreicht schnell eine hohe Konzentration des Alkohols. Dabei gehen viele Aromen verloren.

Die diskontinuierliche Variante kommt meist bei der artesanalen Herstellung zur Anwendung. Mehrere Schritte, in denen die Temperatur langsam gesteigert wird, ergeben unterschiedliche Fraktionen des Destillats. Diese werden mit den Begriffen Cabeça, Coração sowie Cauda bezeichnet. Während die Cabeca flüchtiges Methanol, Azeton und Propanol enthält und die Cauda (der „Schwanz“) Fuselöle, finden sich im Herzstück Coração die gewünschte Mischung aus Aromen und Alkohol wieder.

Nachbehandlung und Lagerung – die unglaubliche Vielfalt der Fässer

Bis zu sechs Monate wird der Brand mit Sauerstoff behandelt. Danach wandert er entweder als Cachaça prata (ungelagert) in den Handel oder wird gelagert.

Die Reifezeit erlebt er für mehrere Monate in Holzfässern. Dafür stehen dem brasilianischen Brennmeister unfassbare 28 verschiedene Holzsorten zur Verfügung. Hierzu gehören exotische Sorten wie z. B. Umburana oder und Putumujú. Das Spektrum reich vom Hart- bis zum Edelholz, von geschmacklos bis aromenreich.

Ohne Zweifel ist diese Vielfalt einzigartig in der Spirituosenwelt. Für Cognac, Whisky oder Rum werden meist nur Fässer aus Eichenholz verwendet. Einige der Hölzer findet man exklusiv nur in Brasilien.

Durch die Lagerung verliert das Destillat den frischen Zuckerrohrgeschmack und gewinnt Holzaromen hinzu. Als Faustregel gilt: Ein exzellenter Cachaça lagert für mindestens drei Monate, bevor er in Flaschen abgefüllt wird. Oftmals entsteht durch die Lagerung eine bräunliche Färbung.

Die Herstellung des Cachaça artesanal

Bei der handwerklichen Herstellung arbeiten meist kleine Produzenten für die lokalen Märkte. Dabei verwenden sie recht primitive Mittel. Das Zuckerrohr wird noch von Hand geerntet und es kommen keine Gärbeschleuniger, sondern nur natürliche Hefe beim Fermentationsprozess zum Einsatz. Destilliert wird in traditionellen Kupferbrennblasen. Bekannte artesanale Marken sind Armazem Vieira, Delicana oder Serra das Almas.

Ran an das Zuckerrohr!

Die WM in Brasilien ist zwar nun schon einige Zeit her, doch es gab ja schließlich guten Grund zu feiern. Deshalb, doch nicht nur deshalb, empfiehlt es sich, mit einem leckeren Cachaça anzustoßen. Vielleicht habt Ihr ihn noch nie pur probiert? Ein artisanaler Cachaça hält faszinierende Aromenwelten bereit.