Ich oute mich – ich bin ein Aficionado!
Manch einer wird sich nun fragen – was ich für eine Krankheit habe. Weit gefehlt! Aficionado bedeutet „Liebhaber, Kenner oder Fan“ und meint konkret Zigarren.
Ja, ich mag Zigarren.
Sie stehen für mich stellvertretend für Entspannung und Genuss. Welcher Teufel reitet mich, dass ich hier das Rauchen mit solchen Substantiven in Verbindung bringe? Keiner!
Ich bin mir der gesundheitlichen Risiken des Tabakkonsums bewusst und will niemanden animieren mit dem Rauchen zu beginnen. Aber ich will euch meine persönliche Erfahrung mit dem Thema nahebringen.
Meine Vorgeschichte
Als Kind habe ich das Rauchen meiner Eltern gehasst. Vor allem im Auto auf einer langen Fahrt. Das seltsame Verkrampfen der Bronchien, wenn die beiden da vorne uns mit blauem Dunst eingenebelt haben. Aber Zigarettenrauch war allgegenwärtig, man entkam ihm nicht. Es waren die 70er. Helmut Schmidt war Kanzler. Noch Fragen?
Mit ungefähr 16 Jahren habe ich selbst angefangen zu rauchen. Auf einer Klassenfahrt. Warum? Keine Ahnung. Vermutlich wollte ich einfach nur cool sein. Als Raucher haben meine Eltern gar nicht erst versucht es mir auszureden. Das wäre vermutlich auch zwecklos gewesen.
So wurde nun die goldene Packung der Marke Benson & Hedges (eigentlich mag ich England ja nicht besonders) mein ständiger Begleiter, nebst Feuerzeug, versteht sich. Der Großteil meines Freundeskreises rauchte. Das war normal. Nur wenige Sportler und Außenseiter waren Nichtraucher. Es waren die 80er.
In Spitzenzeiten verglühten innerhalb von 24 Stunden 20 Stück von den Dingern zwischen meinen Fingern. Je hektischer der Tag, desto mehr. Meine Freundin rauchte. Bei der ersten Renovierung der gemeinsamen Wohnung haben wir mit Erschrecken Anhand der nikotinfreien Stellen identifizieren können, wo vorher die Bilder hingen. Daraufhin haben wir beschlossen, dass die gemeinsame Wohnung rauchfrei wird. Alle Raucher rauchen draußen! Nicht gesünder, aber wenigstens konsequent. Und ein Anfang!
Kurz nach dem positiven Schwangerschaftstest hat meine Frau symbolisch eine halbvolle Schachtel der golden Marke in ein WC geleert und beschlossen von nun an rauchfrei zu sein. Ich fand den Schritt richtig und mutig, wollte für mich selbst aber noch nicht wirklich folgen. Schließlich war ich ja nicht schwanger! Ergo stand ich bei meinen Zigaretten-Auszeiten künftig allein vor unserer Balkontüre.
Da ich mein eigener Chef war, durfte natürlich im Büro gequalmt werden – wobei sich allmählich erste rauchfreie Atolle aus dem Meer des blauen Dunstes erhoben.
Es mögen ein paar Jahre ins Land gegangen sein – der Bürotag war wieder recht stressig – in Hektik zünde ich mir eine Zigarette an und will diese nach dem ersten nikotingierigen Zug weglegen, da bemerke ich eine brennende Zigarette, die dort liegt. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich Mister Benson ebenso wie Mister Hedges alsbald Ade sagen würde. Aber gut Ding will Weile haben und der passende Anlass will gefunden sein. Denn ich wollte unbedingt vermeiden, dass aus dem geplanten „Lebewohl“ ein halbherziges „Auf Wiedersehen“ würde. Und so verging noch ein weiteres Jahr in Begleitung goldener Päckchen.
Aufhören mit dem Rauchen – das geht nur radikal!
Als der Anlass da war, erkannte ich zuerst nicht, was passieren würde. Nach einem Disneyland Trip saß ich mit meinen Damen an einem warmen Sommertag draußen in einem Cafe am Centre George Pompidou, mitten im schönen Paris. Als es auf den Aufbruch zuging, fingerte ich eine Zigarette aus den bereits beschriebenen goldenen Schachteln. Es war die letzte! Ein Blick auf die umliegenden Geschäfte beschrieb mir die nahe Zukunft in Gesellschaft von Ducal oder Pall-Mall. Vermutlich wegen einer weit verbreiteten Anglophobie rauchen Franzosen keine Benson & Hedges und warten in der Regel auch nicht freudestrahlend und mit goldenen Packungen winkend auf nikotinsüchtige Germano-Touristen. Das war der Moment, in dem ich wusste, dass die Zeit für den Abschied reif war. Diese Szene ist nun fast 20 Jahre vergangen und es war tatsächlich die letzte. Ja, es hat mich anfangs einige Nerven gekostet und meine Figur in den Abgrund gerissen. Selten endet ein Laster, ohne dass ein anderes heranrauscht. Denn auch wenn der eigentliche Nikotinentzug nur wenige Tage andauern mag, dauert die Sucht nach der Haptik der Zigarette, dem leichten Druck zwischen Zeige und Mittelfinger und dem tiefen und entspannenden Einatmen beim Zug an derselben viel, viel länger!
In meinen Augen ist der radikale Schnitt der einzig mögliche Weg. Jedes langsame Reduzieren des Konsums und schrittweise unabhängig werden ist zum Scheitern verurteilt.
So habe ich dann zweitweise den Begleiter gewechselt. Aus goldenen Schachteln wurden gelbe und orange Zuckerstückchen der Marke „Nimm zwei“. Dieses Tauchbad in der Bonboniere hat mich nikotinfrei gemacht, aber zum Preis von etwa 30 Kilo zusätzlicher Körpermaße. Wer sich eine Ersatzdroge sucht, dem empfehle ich unbedingt kalorienärmere Varianten!
In meinen Augen ist der radikale Schnitt der einzig mögliche Weg. Jedes langsame Reduzieren des Konsums und schrittweise unabhängig werden ist zum Scheitern verurteilt.
So habe ich dann zweitweise den Begleiter gewechselt. Aus goldenen Schachteln wurden gelbe und orange Zuckerstückchen der Marke „Nimm zwei“. Dieses Tauchbad in der Bonboniere hat mich nikotinfrei gemacht, aber zum Preis von etwa 30 Kilo zusätzlicher Körpermaße. Wer sich eine Ersatzdroge sucht, dem empfehle ich unbedingt kalorienärmere Varianten!
Raucher stinken
Im Nachgang meiner Zigarettenraucher Karriere konnte ich bei mir eine Reihe von sehr positiven Effekten feststellen. Zum Beispiel weniger Atemwegserkrankungen, angefangen bei einfachen Erkältungen. Und noch etwas passierte – eines schönen Tages ging ich an Blumen vorbei und konnte diese auf einmal riechen! Blumen riechen sogar! Was für eine Erfahrung. Ab diesem Zeitpunkt rieche ich an Dingen. Sensorik macht nämlich wirklich Spaß.
Mein verstorbener Vater, bis zu seinem Tod intensiver Raucher, hatte dies beobachtet und mich kritisiert, ob ich vermuten würde, dass etwas verdorben sei. Ich habe ihm versucht zu erklären, dass ich Gerüche spannend fände. Er hat es nie verstanden! Auf der anderen Seite hat er seine Speisen oft extrem scharf gewürzt. Oft so scharf, dass es für normale Gaumen ungenießbar war. Auch hier glaube ich die Ursache beim Zigarettenkonsum gefunden zu haben. Wenn er noch etwas „Schmecken“ wollte, musste sein Trigeminus-Nerv, jener Gesichtsnerv, der uns Schärfe spüren lässt, angesprochen werden, weil der Geruchs- und Geschmackssinn zu Grunde geraucht war.
Mein persönliches Fazit: Geruchs- und Geschmackssinn leiden erheblich unter regelmäßigem Zigarettenkonsum! Vor allem riechen Raucher eines nicht: den eigenen Gestank!
Zigarettenraucher (be)lügen – vor allem sich selbst
Mit der Zeit bemerkte ich, wie sehr Zigaretten-Raucher sich selbst belügen. Die berühmte Zigarette nach dem Essen ist hier sinnbildlich der allergrößte Selbstbetrug – auch ich habe auch immer etwas von Genuss erzählt.
Blödsinn. Mumpitz – genau das Gegenteil ist der Fall: Ein Raucher zerstört jeden sensorischen Eindruck, den Mahlzeit oder Getränke hinterlassen haben, jedes Echo aus der Küche. Genauso gut könnte man ein Chlortabs lutschen!
Erst recht wurde das sichtbar, nachdem in der Gastronomie das Rauchen verboten wurde und alle Raucher kurz nach der Nahrungsaufnahme vor die Türe rennen, um den Nikotinspiegel wieder hoch zu leveln. Pardon liebe Raucher, das hat nichts mit Genuss, sondern ausschließlich mit Suchtverhalten zu tun.
Raucher machen mehr Pausen
Das tiefe Einatmen beim Inhalieren des Zigarettenrauchs entspannt den Raucher. Das Bedürfnis nach dieser Entspannung ist die eigentliche Sucht. Der Nikotinlevel mag mitverantwortlich für das Intervall sein, aber der Wunsch nach Entschleunigung, nach Entspannung verbindet ein Raucher durch eben dieses tiefe Einatmen mit seiner Zigarette.
Das man auch ohne Zigarettenfilter an den Lippen tief durchatmen kann, das müssen werdende Nichtraucher erst wieder ganz neu lernen. Nach meiner persönlichen Erfahrung ist diese psychologische Verbindung zwischen Zigarette und Entspannung durch tiefes Einatmen der größte Suchtfaktor überhaupt!
Die Zigarre auch nicht besser?
Eine Zigarre stinkt noch mehr als es jede Zigarette kann. Korrekt. Richtig. Auch die Kleidung. Nicht zuletzt wurde in Rauchersalons spezielle Kleidung getragen. Der Smoking leitet sich davon ab. Dessen darf man sich bewusst sein.
Eine Zigarre besteht aus dem Deckblatt – aus Tabak. Und einer Füllung – aus langen Stücken von Tabakblättern. Kein Papier, kein Filter, keine Tabakkrümel, kein Parfum.
Eine Hecho a Mano, also eine handgemachte Zigarre aus der Karibik kostet irgendwas zwischen 5 und 25 Euro. Bekanntlich gibt es nach oben keine Grenzen, aber wir reden einfach mal vom Normalmaß.
Wir sprechen also vom Preis einer ganzen Zigarettenschachtel bis hin zum ca. fünffachen Preis einer Schachtel – für EINE EINZELNE Zigarre. Dieser Preis sagt schon etwas über Wert und Wertigkeit aus. Entsprechend verdient eine Zigarre einen ganz anderen Umgang. Entsprechend raucht man eine Zigarre völlig anders!
Ich will keinesfalls die gesundheitlichen Risiken verharmlosen. Rauchen ist und bleibt schädlich. Auch das Rauchen von Zigarren! Auch wenn eine Zigarre – im Gegensatz zur Zigarette kein Papier enthält und auch nicht parfümiert ist.
Eine nachteilige Beeinträchtigung des Geruchs- und Geschmackssinns durch den Zigarrenkonsum mag es geben, auf jedem unmittelbar nach dem Genuss einer Zigarre, aber sie scheint mir zumindest nicht nachhaltig zu sein, was sicherlich auch mit dem deutlich geringeren Konsumintervall zu tun hat.
Wie man zur Zigarre kommt
Nach meinem Abschied von der Zigarette im schönen Paris gingen einige rauchfreie Jahre ins Land. Standhaft habe ich jede angebotene Zigarette und auch jedes Zigarillo konsequent abgelehnt.
Eines Abends saß ich bei einem Whiskey am Kamin und ließ den Abend ausklingen. Da erinnerte ich mich daran, dass ich mir vor vielen Jahren eine Pfeife zugelegt hatte – die kramte ich nun heraus – und siehe da, auch ein versiegeltes Päckchen mit aromatisiertem Tabak befand sich im Schrank. Aus dem einen mal wurde gelegentliches Zelebrieren eines Pfeifchens. Die Pfeife führte mich nicht in Versuchung den Rauch einzuatmen und Pfeife rauchen ist auch kaum geeignet für zwischendurch.
In der Folge habe ich dann das Pfeifengeschäft meines Vertrauens aufgesucht und mir dort meine allerersten Zigarren zugelegt. Ich war einfach neugierig. Dann habe ich in eben diesem Geschäft mit einem Freund zusammen einen Probierkurs genommen. In einem gemütlichen Tasting-Room habe ich dann erstmals etwas über Zigarrenkultur erfahren.
Auch heute noch genieße ich hin und wieder ein paar Züge aus meiner schönen Hobbit-Pfeife, die mir meine Frau geschenkt hat, aber meine wahre Liebe sind die handgerollten karibischen Schönheiten aus Tabak. Gerne dunkle Maduro Varianten!
Bleibt maßvoll!
Destillat-Sommelier
Dieter Kann // schnaps.de
