Warum trinkt man eigentlich Schnaps nach dem Essen?

Folgende Situation hat sicher jeder schon man erlebt: Man sitzt mit der Familie, mit Freunden oder Kollegen am Tisch, die letzten Bissen einer üppigen, teils fettigen Mahlzeit gerade erst geschluckt und es macht sich eine spürbare Erschöpfung breit. In der Regel dauert es nicht lange, bis die erste Person einen „Verdauungsschnaps“ fordert und damit auch ganz sicher Verbündete findet. Schließlich glaubt doch jeder, dass so ein Schnäpschen die Verdauung fördern soll und das Völlegefühl ganz schnell wieder vertreibt!

Aber ist das wirklich so? Woher kommt dieses “Ritual” eigentlich und welche Spirituosen gelten als “typische” Verdauungsschnäpse? Wollen wir dem doch mal auf den Grund gehen…

Grundsätzliches zum Digestif

Der Begriff Digestif kann sprachlich zunächst aus dem Lateinischen (digestio, Verdauung) oder dem Französischen (digestif, -ve, die Verdauung betreffend) abgeleitet werden. Es scheint also nahe zu liegen, dass er irgendetwas mit der Verdauung zu tun hat und er bezeichnet in der Regel einen Schnaps, der nach einer Mahlzeit getrunken wird. Schnaps ist hier ein sehr weit gefasster Begriff – was genau getrunken wird, hängt von der Region und insbesondere der Küche ab: In griechischen Restaurants bekommt man nach dem Essen einen Ouzo (einen Anisschnaps) gereicht, ist man hingegen in einem asiatischen Restaurant, bekommt man gerne einen Pflaumenschnaps serviert.

Welche “Absacker” sind noch verbreitet? Es gibt die eher würzigen Kräuterliköre oder Kräuterbitter (z.B. Ramazzotti, Averna, Fernet Branca), aber auch Obstbrände oder Tresterbrände wie Grappa werden gerne als “Verdauungsschnaps” getrunken. Das ist dann tatsächlich einfach Geschmackssache!

Welche Wirkung hat der Schnaps nach dem Essen?

Oder müssen wir fragen: welche Wirkung erhoffen wir uns? Wir erhoffen uns, dass das Völlegefühl verschwindet, die Müdigkeit durch das Essen wieder vergeht und dass das schwere Essen möglichst schnell und gut verdaut wird. Und so ein Kräuterlikör, der räumt doch alles wieder auf oder?
Jein. Man sollte den Schnaps nach dem Essen nicht mit “medizinischer Notwendigkeit” entschuldigen – denn diese ist definitiv nicht gegeben 😉

Was uns das Gefühl gibt, dass der Schnaps doch irgendwie gut tut, das ist die Tatsache, dass der Alkohol die Magenmuskulatur (bzw. generell Muskeln) entspannt. Das krampfartige Gefühl durch zu viel und zu fettige Nahrung lässt also etwas nach. Das in Kombination mit ein bisschen Placebo-Effekt  – schließlich ist es einfach ein weit verbreiteter Grundgedanke, dass der Absacker nach dem Essen gut tut – ist wahrscheinlich das ganze Geheimnis.

Allerdings sollte man sich bewusst sein, dass der Alkohol nach dem Essen für die Verdauung in Wirklichkeit alles andere als förderlich ist! Im Gegenteil: Alkohol bremst die Verdauung aus! Da der meist hochprozentige Alkohol die Reizweiterleitung der Nervenbahnen auf die Muskulatur des Verdauungssystems hemmt, findet – vereinfacht gesagt – weniger Bewegung im Verdauungstrakt statt. Die Nahrung wird langsamer transportiert und auch verdaut. Das schwere Essen belastet den Körper also eher länger!

Allerdings sorgen Bitterstoffe die in einem Kräuter- oder Magenbitter enthalten sind dafür, dass die Speichelproduktion und die Produktion der Magensäure angeregt werden, was sich definitiv nicht negativ auf die Verdauung auswirkt.

Muss ein Digestif zwingend Alkohol enthalten?

Nein – man muss nach dem Essen nicht zwangsweise zu einem alkoholhaltigen Schnaps greifen. Wenn man gegen das Völlegefühl und die aufkommende Müdigkeit angehen möchte, kann man auch sehr gut auf Tee oder Kaffee zurückgreifen. Bei diesen Alternativen sorgen das Koffein oder auch Teein dafür, dass der Körper wieder in Schwung kommt. Beliebt und auch sehr verbreitet ist der Espresso – der zudem auch noch viel weniger Kalorien hat, als ein alkoholisches Getränk.

Den Magen mit einem Aperitif auf ein üppiges Essen vorbereiten

Im Zusammenhang mit einem guten Essen, darf man aber auch den Aperitif nicht außer Acht lassen. Im Gegensatz zum Digestif wird er vor der Mahlzeit getrunken und soll den Magen auf seine bevorstehende Aufgabe vorbereiten und ihn “öffnen” – daher kommt auch die umgangssprachliche Bezeichnung “Magenöffner”.

Was alles als Aperitif gereicht werden kann, ist sehr variabel. Prickelnde, leichte Getränke mit Soda oder Sekt können die Geschmacksknospen auf der Zunge reizen und für kommende Geschmackserlebnis “aufwecken”.

Ebenso ist es möglich vor dem Essen Kräuterschnäpse mit Anis oder Kümmel auszuwählen, in der Hoffnung, dass sich die enthaltenen Kräuter positiv auf den Magen-Darm-Trakt auswirken. Generell sind es aber wieder die Bitterstoffe, die zum Beispiel auch in einem Portwein oder Pils enthalten sind, die eine gute Vorbereitung auf das Essen ermöglichen.
Diese Bitterstoffe regen dann bereits vor dem Essen die Magenschleimhaut an, Magensäure zu produzieren, welche dann “in den Startlöchern steht”, um das folgende Essen zu verarbeiten.

Ein Tipp: zwischen dem Aperitif und dem Essen dürfen gerne 30 Minuten Pause liegen, damit die stimulierende Wirkung zur Entfaltung kommt. Außerdem ist es auch für den Geist gut, sich etwas Ruhe zu gönnen und auf das bevorstehende Essen zu freuen.