Wacholder und mehr – Gin damals und heute

Für unsere moderne Barkultur ist Gin unverzichtbar. Vom billigen Rauschmittel im England des 18. Jahrhunderts entwickelte er sich zu einer Spirituose mit Klasse, die voll im Trend liegt. Doch was macht ihn so besonders?

Zum einen ist es die Vielfalt an kreativen und geheimen Zusammenstellungen von Botanicals in den Rezepten der Brenner. Zum anderen zeichnet sich Gin dadurch aus, dass er in Cocktails und Longdrinks die Geschmacksnoten anderer Zutaten nach vorne bringt, anstatt sie zu übertünchen. Das macht ihn zu einer der wichtigsten Spirituosen einer jeden Cocktailbar.

Wir beschäftigen uns in diesem Beitrag mit seiner Geschichte, seiner Herstellung und den verschiedenen Sorten und zeigen Euch, wie beim Wacholderbrand „Vintage“ und Moderne zusammenfinden.

Was ist eigentlich ein Gin?

Bei Gin handelt es sich um eine in der Regel farblose Spirituose mit Wacholder. Vom botanischen Namen des Wacholders, „Juniperus“, leitet sich indirekt auch die Bezeichnung ab. Demnach handelt es sich beim Wort Gin höchstwahrscheinlich um eine Abwandlung des Namens des holländischen Vorläufergetränks Genever.

In der Europäischen Union und der Schweiz ist für Gin ein Mindestalkoholgehalt von 37,5 Vol.-% vorgeschrieben. Jedoch gibt es zahlreiche Produkte, die deutlich stärker sind. Der erhöhte Alkoholgehalt hat den Zweck, unrunde Geschmacksbilder zu vermeiden, die aufgrund der Gewürze entstehen. Denn neben Wacholder enthält Gin meist eine ganze Reihe weiterer Kräuteraromen, die der Fachmann „Botanicals“ nennt.

Gin wird pur getrunken, ist aber auch Bestandteil einer ganzen Reihe von Cocktails, wie z. B. dem Martini. Zu weltweiter Bekanntheit gelangte der Longdrink Gin Tonic, der durch das Mischen mit Tonic Water entsteht.

Die Geschichte des Gins

Die älteste Erwähnung eines Getränks namens Genever findet sich in Quellen zum Wirken des Arztes François de la Boe. Mitte des 17. Jahrhunderts nutzte er einen Wacholderschnaps, um seine Patienten gegen Magen- und Nierenbeschwerden zu behandeln. Wie man sich vorstellen kann, kam das Getränk gut an.

Im Gepäck von niederländischer und englischer Soldaten im Holländisch-Spanischen Krieg landete die Spirituose schließlich in England. 5000 Niederländer lebten zu der Zeit in London, da Wilhelm III. von Oranien-Nassau den englischen Thron bestieg.

König James war soeben während der Glorious Revolution abgesetzt worden und die Toleranz gegenüber den katholischen Staaten fand ein Ende. Die einheimische Schnaps-Produktion, insbesondere die Herstellung von Wacholderbränden, stärkte der neue Regent mit Steuerfreiheit. Dagegen durften die Importeure französischer Spirituosen beim Zoll kräftig draufzahlen.

1690 legte ein Erlass fest, dass Gin ausschließlich aus englischem Getreide produziert werden durfte. Jedem Engländer stand auf Geheiß Queen Annes ab 1702 zu, ihn im eigenen Haus zu produzieren. Ein Viertel aller Londoner Haushalte um 1720 destillierte oder verkaufte die Spirituose. 5 Millionen Gallonen Wacholderbrand wurden 1727 getrunken.

„Gin Craze“ – die große Gin-Krise Mitte des 18. Jahrhunderts

Der Alkoholmißbrauch entwickelte sich zu einem ernsthaften Problem. Vor allem der preiswerte, hochprozentige Gin erfreute sich in den unteren sozialen Schichten großer Beliebtheit. Bereits nach wenigen Gläsern war man berauscht. Laut Schätzungen konsumierte jeder Engländer um 1740 durchschnittlich mehr als einen halben Liter Gin am Tag. Diese Statistik schließt Kinder nicht aus.

Die kollektive Trunkenheit in London Mitte des 18. Jahrhunderts ging unter dem Begriff „Gin Craze“ in die Geschichte ein. Die Anzahl der Todesfälle in Folge des Alkoholkonsums überstieg zeitweilig die Geburtenrate.

Die Gin-Acts von 1736 und 1751

Mit zwei sogenannten „Gin-Acts“ versuchte die Regierung, dem Problem entgegenzuwirken. Der erste aus dem Jahr 1736 untersagte die unlizensierte Produktion sowie den Verkauf kleiner Mengen. Zudem mussten die Destillerien eine jährliche Abgabe von 50 Pfund zahlen, eine exorbitant hohe Summe, die nur wenige Betriebe aufbringen konnten. Dahinter stand der Gedanke, das Getränk nur noch wohlhabenden Bürgern zugänglich zu machen.

Das Ganze erwies sich als Schuss in den Ofen, da viele die Brenner einfach die Rezeptur veränderten und somit das Produkt nicht mehr unter die Regularien für Gin fiel. Eine weitere Alternative stellte, wie so oft in der Geschichte der Spirituosen, das Schwarzbrennen dar.

Der zweite Gin Act aus dem Jahr 1751 setzte nicht nur Maßstäbe für Qualität und Herstellung fest. Er ließ den Gin endgültig in Oberschicht-Kreisen ankommen. Parallel sorgten schlechte Ernten und ein Preisanstieg beim Getreide dafür, dass die Produktion abnahm und der Gin Craze um 1757 schließlich vorbei war. Neuere Untersuchungen stellen die Verteuerung der Rohstoffe als wichtigste Ursache für das Ende der Krise heraus.

Die Weiterentwicklung des Gins

Die Firma Gordon Co. stellte ab 1769 im Norden Londons einen dreifach gebrannten Gin her, der vor allem in der Britischen Marine Verbreitung fand. Eine eindeutige Definition der Gattung zu dieser Zeit fällt schwer. Eine ganze Reihe völlig unterschiedlicher, hochprozentiger Brände bekam einfach diese Produktbezeichnung aufgedrückt.

Durch die großen Anbaugebiete in Nordamerika sank der Preis für Getreide. Infolgedessen wurde es billiger, Alkohol zu produzieren und die Hersteller wagten wieder mehr Experimente. Zu dieser Zeit entstand beispielsweise der London Dry Gin. Der Namen versteht sich weniger als Herkunftsbeschreibung, sondern als Bezeichnung einer bestimmten Destillationstechnik. Durch vierfaches Brennen wird ein besonders runder Geschmack, verglichen mit dem Genever, erreicht.

Im 18. und 19. Jahrhundert kommt auch der Old Tom Gin in Mode. Dabei handelt es sich um einen leicht gesüßte Variante. Er schlägt charakterlich die Brücke zwischen London Dry Gin und Genever und eignet sich bis heute vor allem zum Mixen von Longdrinks.

Gin heute – eine Spirituose im Trend

Waren die 70er und 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts hauptsächlich von Rum und Vodka dominiert, ist die Begeisterung für Gin seit der Jahrtausendwende deutlich gestiegen. Gin rückte mehr und mehr sowohl in den Fokus der Barkeeper wie auch in den der Genießer.

Heutzutage versuchen die Hersteller in vielen Fällen ein Vintage-Image für ihre Produkte zu kreieren. Auch die Bartender versuchen seit geraumer Zeit vermehrt, historische Rezepte für Mixdrinks mit Gin umzusetzen.

Doch die Ginkünstler schauen nicht nur in die Vergangenheit – ähnlich wie bei den Innovatoren der Craftbeer-Szene bereichern Kleinstbetriebe (Mikrodestillerien) den Markt mit ausgefallenen Kreationen. Die Palette reicht von der Neuinterpretation des London Dry Gins bis zum Innovationen wie dem New Western Gin. Oftmals sind einheimische Botanicals ein entscheidender Faktor. Beispiele hierfür sind der G-Vine aus Frankreich oder der Monkey 47 aus dem Schwarzwald.

Die Herstellung des Gins

Der Agraralkohol zur Ginproduktion wird aus beliebigen kohlenhydrathaltigen Basisstoffen destilliert. Meist handelt es sich dabei um Getreide oder Melasse.

Den Geschmack prägt letztendlich die Aromatisierung mit Gewürzen. Dabei spielen vor allem Wacholderbeeren und Koriander die Hauptrolle. Die weiteren Botanicals sind von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich. Etwa 120 verschiedene Zutaten kommen als Aromen und Wirkstoffe zum Einsatz. Dazu gehören z. B. Angelika, Anis, Apfelminze, Enzian, Geranium, Ingwer, Muskat, Thymian, Weinblüten und viele mehr.

Die Aromatisierung geschieht nicht im Anschluss, sondern bereits während der Destillation. Je nach Aromenträger kommen zwei unterschiedliche Methoden zur Anwendung. Bei der einen Variante strömen die Alkoholdämpfe direkt durch die Botanicals hindurch, wodurch diese die Aromen aufnehmen. Das andere Verfahren sieht vor, die Kräuter und Gewürze mit der Kornmaische zu vermengen und dann zu destillieren.

Die bekanntesten Ginsorten

London (Dry) Gin
Nach der EU-Verordnung von 2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen ist genau festgelegt, welche Kriterien bei dieser Sorte erfüllt sein müssen.

So handelt es sich um einen destillierten Gin, der ausschließlich aus Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs gewonnen wird und dessen Aroma ausschließlich durch die erneute Destillation von Ethylalkohol in herkömmlichen Destilliergeräten unter Zusetzen aller verwendeten pflanzlichen Stoffe gewonnen wird.

Zudem darf der Anteil an süßenden Zusätzen nicht mehr als 0,1 g Zucker je Liter des Fertigerzeugnisses betragen. Zugesetzte Farbstoffe und andere Zutaten außer Wasser sind nicht gestattet.

Der Mindestalkoholgehalt für London Gin beträgt 37,5 % Vol.-%. Zum London Dry Gin wird er, wenn auf die Beigabe süßender Erzeugnisse komplett verzichtet wird.

Dry Gin
Sie sind in ihrer Charakteristik und Herstellung mit dem London Dry Gin vergleichbar, auch wenn beim London Dry Gin die Regeln härter ausgelegt werden. Beide werden mindestens zweifach destilliert und kommen ohne zusätzlichen Zucker daher.

Der Unterschied liegt im Zeitpunkt der Zugabe der Botanicals. Beim Dry Gin ist dieser beliebig und die Aromatisierung darf mehrmals an unterschiedlichen Stellen des Prozesses durchgeführt werden. Zudem sind naturidentische Farb- und Aromastoffe erlaubt.

Old Tom Gin
Hierbei handelt es sich um eine gesüßte Variante. Der Name leitet sich vom englischen Begriff für den alten schwarzen Kater, „old tomcat“, her. Die Holzschilder an manchen Pubs im England des 18. Jahrhunderts erinnerten an eine schwarze Katze.

Auf geht’s – erlebt die Vielfalt des Gins!

Wir hoffen, auch Eure Begeisterung für die Vielfalt des Gins erweckt zu haben. Da die Kombinationsmöglichkeiten in der Auswahl und Abstimmung der zahlreichen Botanicals nahezu unendlich sind, werden uns die Ginthusiasten unter den Brennern auch zukünftig mit so mancher Kreation überraschen. Eine breite Auswahl toller Gins findet Ihr hier im Online-Shop von schnaps.de.